19. Mai 2022

Zwischen Gesundheit und Krankheit

Den Zustand von Erschütterung kennen viele. Doch was kann man in einer persönlichen Krise tun? Stefanie Bachofner, Psychologin und angehende Psychotherapeutin, gibt Antworten auf diese und weitere Fragen.
Autor/in: Andrina Sarott, Fachspezialistin Kommunikation
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Verlust durch Trennung oder Tod, Lebensveränderungen wie der Übertritt von der Regelschule zur Lehre oder an eine weiterführende Schule, Traumata wie sexuelle Übergriffe, Kränkungen beispielsweise durch die vorgesetzte Person, Mobbing in der Schule, Stress oder Überforderung bei der Arbeit – es gibt unzählige Auslöser für Krisen. Arzt und Psychotherapeut Claudius Stein definiert eine Krise als zeitlich begrenzten Zustand zwischen Gesundheit und Krankheit, der nicht länger als sechs Monate andauert. «Eine Krise ist ein Wendepunkt und dieser hat Chancencharakter. Das heisst, man kann daran wachsen oder zerbrechen», erklärt Stefanie Bachofner, Psychologin bei ask!. «Für mich ist eine Krise eine Situation, in der vieles nicht mehr geht. Man ist erschüttert, befindet sich in einer Spirale und benötigt Hilfe von aussen.» Dabei spiele es keine Rolle, ob man sich professionelle Hilfe oder Unterstützung aus dem sozialen Umfeld hole. «Die Aussensicht ist für die Problemeinordnung und -lösung zentral.»

 

Methoden zur Krisenbewältigung

Doch wie äussert sich eine Krise? Angst, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit, Überforderung, Verzweiflung, Unruhe, Unwohlsein, innere Spannung, Gedankenrasen oder Gedankenleere, Schlafstörungen, Erstarrung, Aufgelöstheit sowie Handlungsunfähigkeit können in einer Krise auftreten. Was normalerweise in schwierigen Zeiten geholfen hat, hilft plötzlich nicht mehr. «Zur Krisenbewältigung gibt es verschiedene Methoden auf den Ebenen Gedanken, Emotionen, Körper und Verhalten», meint Stefanie Bachofner.

Gedankenebene

Auf der kognitiven Ebene der Gedanken gebe es beispielsweise die Möglichkeit, Tagebuch zu schreiben oder Selbstberuhigungssätze zu entwickeln. «Bei Letzteren geht es darum, konkrete, glaubwürdige Argumente aufzustellen, dass man es aus der Krise schaffen kann», sagt die Psychologin. Jedoch keine Sprüche wie: «Alles wird gut.» Sondern konkreter wie beispielsweise: «Ich schaffe das, weil ich die Situation XY, in der es mir ähnlich ging, auch gemeistert habe.»

Emotionsebene

Auf der Emotionsebene gehe es primär darum, die Gefühle zuzulassen, zu verstehen und einzuordnen. «Emotionen sollte man auf keinen Fall einfach abtun, sondern ernst nehmen und deren Sinn zu verstehen versuchen», meint die Psychologin. Sei man gequält von Gedanken, können Imaginationsübungen helfen. Dazu gehört zum Beispiel die Tresorübung, bei welcher man die negativen Gedanken in eine Box verpackt und ausserhalb der eigenen vier Wände deponiert. Eine andere Variante ist das Vorstellen eines Ortes, an dem man sich sicher fühlt und an den man sich in schwierigen Situationen gedanklich zurückziehen kann. 

Körperebene

Fühle man eine innere Unruhe oder spüre man sich selbst nicht mehr richtig, können Übungen auf der Körperebene helfen. «Besonders wichtig ist hierbei die Atmung», meint Stefanie Bachofner. «Bei schnellem Spazieren kann man den inneren Druck abbauen und etwas in Bewegung bringen.» Bei Entspannungstechniken wie Körperreisen, Yoga oder Qigong setze man einen anderen Fokus und dies helfe, die innere Spannung abzubauen. Auch Präsenzübungen – wie beispielsweise das Benennen von Gegenständen und deren Farben im Raum seien denkbar.

Verhaltensebene

Wende man oben genannte Strategien an, passe man dadurch automatisch sein Verhalten an. «Ich empfehle die Übungen mit einem Gegenüber durchzuführen, denn wenn jemand anderes die Übung anleitet, kann sich die betroffene Person auf sich und seine Empfindungen konzentrieren und wie man so schön sagt, geteiltes Leid ist halbes Leid», so die Psychologin. Wichtig sei, dass man professionelle Hilfe suche, wenn sich die Symptome der Krise verstärken oder wenn gar Suizidgedanken auftauchen.

 

Infografiken: Stefanie Studer, Fachspezialistin Kommunikation

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